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Unsere Warmwasserbadeanstalt

Die Unterernährung der Menschen in den letzten Jahren des ersten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit führte besonders unter Kindern und Jugendlichen zu Mangelerscheinungen (verbreitet Skrofulose). Zur Bekämpfung dieser gefährlichen Krankheit wurden vom Schularzt Solbäder angeordnet. In dieser Lage beschloß damals die hiesige Gemeindevertretung im Jahre 1924, die notwendigen Solbäder hier im Orte selbst zu verabreichen. Im Zuge des damaligen Schuleinbaues im Kornspeicher auf dem Burghof wurde in der Westseite des Erdgeschosses mit wenig Mitteln ein geeigneter Raum für eine Solbadeinrichtung geschaffen. Die Warmwasserzubereitung erfolgte im Boiler der Niederdruck-dampfheizung der neuen Schule. Auch eine große Holzbadewanne für die Verabreichung der Solbäder wurde der Gemeinde von privater Seite (Bruno Mensch) zur Verfügung gestellt. 

 

In einem Nebenraum wurden nach dem Solbade auch Liegekuren unter Aufsicht der Gemeinde-schwester durchgeführt. Diese Einrichtung hatte sich gut bewährt und nachdem im Jahre 1925 der Boiler an die Wasserleitung angeschlossen wurde, unterbreitete der Gemeindevorstand der Gemeindevertretung den Vorschlag, diese inrichtung durch einige Badewannen zu einem kleinen öffentlichen Volksbad zu erweitern. Diesem Antrag wurde von der Gemeindevertretung zugestimmt. Aus Gipsdielen wurden zunächst vier kleine Badezellen eingerichtet, vier Badewannen mit Brauseanlagen beschafft und erste Versuche unternommen. Von allen Kreisen der Dorfbewohner wurde dieses kleine Volksbad fleißig benutzt. Der Badebetrieb nahm einen sichtlichen Auftrieb und die Anlage mußte in kurzer Zeit mehrmals erweitert werden, denn selbst Einwohner von Nachbargemeinden, besonders aus dem nahen Eilsleben, zählten zu den Badegästen. 

 

Diese Einrichtung wurde nach fachmännischer Besichtigung von der Krankenkasse Neuhaldensleben für Krankenkassenbäder für die Mitglieder in unserer Gemeinde und der umliegenden Orte freigegeben. Ein elektrischer Lichtkasten wurde beschafft und Schwitzbäder mit Massage wurden verabfolgt. Die Bedienung hatte der Schuldiener Otto Schmidt, der als ehemaliger Heilgehilfe ein approbierter Masseur war.

 

Wöchentlich wurden in der Zeit von 1925 bis 1930 rund 100 bis 150 Wannenbäder verabfolgt. Der jährliche Uberschuß aus dieser Einrichtung betrug in der angeführten Zeit 1500 RM und kam der Gemeindekasse zugute.

 

Der Badebetrieb war wochentags von zwei Uhr nachmittags und sonntagsvormittags von 7.00 bis 9.00 Uhr geöffnet. Die Badepreise wurden wie folgt festgesetzt:

  1. ein Vollbad in Porzellanwanne = 0,75 RM
  2. ein Vollbad in Ambi-Badewanne = 0,50 RM
  3. ein Vollbad in Zinkwanne = 0,40 RM
  4. ein Vollbad für Kinder = 0,30 RM
  5. ein Fichtennadelbad = 1,10 RM
  6. ein Sauerstoffbad = 2,50 RM
  7. Haarwäsche mit Föhntrocknung = 0,50 RM

Die Krankenkassenbäder wurden nach den Tarifsätzen der Krankenkasse berechnet.

 

Die in den Jahren 1931/32 einsetzende Massenarbeitslosigkeit wirkte sich auch ungünstig auf den Badebetrieb aus und die jährlichen Uberschüsse wurden erheblich geringer. Auch die Gewichtskontrolle der Säuglinge fand in jener Zeit allmonatich in der Badeanstalt statt. In diesem Umfange wurde diese Einrichtung bis zum Jahre 1933 genutzt. Durch die Vernachlässigung der Wasserversorgung ab 1933 ging es mit dem Badebetrieb schnell bergab. Die Warmwasserbadeanstalt wurde bald geschlossen und zu einer Milchausgabestelle umgewandelt.

 

Der Zustand der Einrichtung nach Kriegsende machte größere Anstrengungen in kurzer Zeit erforderlich, um die Warmwasserbadeanstalt wieder nutzen zu können. Wertvolle Dienste leistete sie dann bei der Betreuung der vielen Flüchtlinge im Jahre 1945. Auch die in den 50er Jahren geborenen Ummendorfer, erinnern sich heute noch gern und lebhaft an die Betriebsamkeit der hiesigen Warmwasserbadeanstalt.

 

von R.Vogel

 

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